Schreiben der Zentralkonsum eG an den Bundesminister der Justiz Heiko Maas
Wilhelm Kaltenborn: Schein und Wirklichkeit
Sie halten das neue Buch von Wilhelm Kaltenborn „Schein und Wirklichkeit“ mit dem Untertitel „Genossenschaften und Genossenschaftsverbände – Eine kritische Auseinandersetzung“ in Ihren Händen.
Kaltenborn, profunder Kenner der Genossenschaften, geht in seinem zweiten Buch Erscheinungen bei den Genossenschaften und ihren Verbänden nach, heute und in der Geschichte. Er überprüft Meinungen und Prinzipien anhand der Realitäten, so z. B. die Praxis der internen Demokratie sowohl bei den Genossenschaften als auch bei ihren Verbänden.
In seinem Buch behandelt er auch die Besonderheit der nur die Genossenschaften erfassenden Zwangsmitgliedschaft bei Prüfungsverbänden: Genossenschaften sind sowohl als juristische Personen des privaten Rechts zwangsweise Mitglieder der regionalen Industrie- und Handelskammer als auch gesetzlich verpflichtet, Mitglied eines Prüfungsverbandes zu sein (§§ 54 und 54a GenG), s. Seiten 245 – 270. Zumindest die Zwangsmitgliedschaft bei der Industrie- und Handelskammer ist zurzeit erneut Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, zu dem u. a. Ihr Ministerium angehört wurde. Anliegend erhalten Sie zur besonderen Situation der Genossenschaften unser Schreiben an das Bundesverfassungsgericht.
Was nun die Zwangsmitgliedschaft der Genossenschaften in einem Prüfungsverband betrifft, so weist Kaltenborn (Seiten 245 ff.) sehr detailliert nach, dass die Zwangsmitgliedschaft - im Oktober 1934 in das Gesetz aufgenommen - eindeutig Bestandteil der nationalsozialistischen Politik mit dem Ziel der völligen Gleichschaltung und Kontrolle der Genossenschaften war. Die Verbände wollten, solange sie unabhängig waren, davon nichts wissen. Hier wäre 80 Jahre nach diesem Sündenfall eine Revision dringend erforderlich.
Gegen eine Pflichtprüfung ist sicher nichts einzuwenden. Sie wirkt segensreich. Aber es entspräche dem für die Genossenschaftsbewegung konstitutiven Merkmal der Freiwilligkeit, wenn jede Genossenschaft wählen könnte, ob sie sich von einem Verband oder einer privaten Prüfungsgesellschaft prüfen lässt.
Martin Bergner
Vorstandssprecher
Zentralkonsum eG
02. Juni 2014
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