Wenn Aufsichtsrat (und Vorstand) keine Lieferanten sein dürfen – wann ist das ein Problem?


Persönliche Voraussetzungen für die Wahl zum Mitglied des Aufsichtsrates einer Genossenschaft
 
Grundsätzlich kann nur eine natürliche Person, die unbeschränkt geschäftsfähig ist und spätestens bei Beginn der Tätigkeit Mitglied der Genossenschaft ist, zum Mitglied des Aufsichtsrates und des Vorstandes einer Genossenschaft gewählt werden. Dies wird für Zentralgenossenschaf-ten, wie z. B. der Zentralkonsum eG, erweitert durch § 9 Abs. 2 Satz 2 GenG.
 
§ 9 Vorstand; Aufsichtsrat
(1) …
(2) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats müssen Mitglieder der Genossenschaft und natürliche Personen sein. Gehören der Genossenschaft eingetragene Genossenschaften als Mitglieder an, können deren Mitglieder, sofern sie natürliche Personen sind, in den Vorstand oder Aufsichtsrat der Genossenschaft berufen werden; gehören der Genossenschaft   andere juristische Personen oder Personengesellschaften an, gilt dies für deren zur Vertretung befugte Personen.
 
Ein Aufsichtsratsmitglied darf nicht zugleich Mitglied des Vorstandes, Prokurist oder zum Betrieb des gesamten Geschäfts ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Genossenschaft sein, § 37 Abs. 1 Satz 1 GenG.
 
§ 37 Unvereinbarkeit von Ämtern
(1) Die Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen nicht zugleich Vorstandsmitglieder, dauernde Stellvertreter der Vorstandsmitglieder, Prokuristen oder zum Betrieb des gesamten Geschäfts ermächtigte Handlungsbevollmächtigte der Genossenschaft sein. Der Aufsichtsrat kann einzelne seiner Mitglieder für einen im Voraus begrenzten Zeitraum zu Stellvertretern verhinderter Vorstandsmitglieder bestellen; während dieses Zeitraums und bis zur Erteilung der Entlastung als stellvertretendes Vorstandsmitglied darf dieses Mitglied seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nicht ausüben.
(2) Scheiden aus dem Vorstand Mitglieder aus, so dürfen dieselben nicht vor erteilter Entlastung in den Aufsichtsrat gewählt werden.
 
Zur Wählbarkeit von Mitarbeitern in den Aufsichtsrat gibt es für Genossenschaften mit regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmern das DrittelbeteiligungsG, für alle Genossenschaften der bereits    erwähnte § 37 Abs. 1 Satz 1 GenG. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass alle übrigen Mitarbeiter der Genossenschaft grundsätzlich zum Aufsichtsrat gewählt werden können. Ob über das DrittelbeteiligungsG hinaus eine Satzung die Wahl von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat verpflichtend festlegen kann oder umgekehrt Arbeitnehmer der Genossenschaft von der Funktion eines Aufsichtsrates ausschließen kann, ist fraglich.
 
Für ehemalige Vorstandsmitglieder gilt die Sonderregelung § 37 Abs. 2 GenG.
 
Die Satzung einer Genossenschaft darf auch weitere Erfordernisse für die Wahl zum Aufsichtsratsmitglied aufstellen, die aber im Hinblick auf den Gesichtspunkt der bestmöglichen Erfüllung der Aufgaben des Aufsichtsrates sachlich gerechtfertigt sein müssen. Andernfalls wäre dies eine   unzulässige Beschränkung der Wahlfreiheit der Mitglieder bzw. Vertreter und ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
 
Für zulässig erachtet werden dabei z. B. bestimmte Mindest- oder Höchstalter, eine bestimmte Dauer der Mitgliedschaft, eine bestimmte Ausbildung oder Berufserfahrung, Nichtbestehen eines bestimmten Grades von Verwandtschaft zu Mitgliedern des Vorstandes, Staatsangehörigkeit, Wohnsitz usw. Im Hinblick auf mögliche Interessenkollisionen dürften solche satzungsmäßigen Beschränkungen wohl immer noch zulässig sein.
 
Seit 2006 ist aber das Allgemeine GleichbehandlungsG (AGG), Abschnitt 3 – Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr – zu beachten, wäre aber z. B. bei Ausschluss von Lieferanten von der Wählbarkeit nicht betroffen.
 
Abschnitt 3 - Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr

§ 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl  von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,
ist unzulässig.
(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 unzulässig.
(3) …
(4) …
(5) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung auf zivilrechtliche Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei Mietverhältnissen …
 
§ 20 Zulässige unterschiedliche Behandlung
(1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung
1. der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient,
2. dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt,
3. besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt, …
 
Zur Vermeidung von Interessenkollisionen sehen einige Mustersatzungen bei Ausübung einer gewinnbringenden Tätigkeit in Angelegenheiten der Genossenschaft und/oder bei Rechtsgeschäften im Geschäftsbereich der Genossenschaft eine vorherige Beschlussfassung des Aufsichtsrates vor, bei der der Betroffene kein Stimmrecht hat, nicht aber das generelle Verbot des Amtes als Aufsichtsrat.
 
 
Einige Satzungen enthalten oder enthielten auch die Regelung, dass Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes „keine Lieferanten sein“ dürfen bzw. „dürfen nicht ... den Lieferanten der Genossenschaft angehören.“ Dies wurde wohl ab 1990 von älteren Mustern und Beispielen so übernommen. In aktuelleren Mustersatzungen fehlen solche Regelungen.
 
Ein Lieferant versorgt einen Abnehmer mit Waren oder Dienstleistungen. In der Buchhaltung ist der Lieferant ein Kreditor, dem Zahlungen geschuldet werden.
 
Bei den Konsumgenossenschaften mit eigenen Einzelhandels-Geschäften ist der Lieferant der jeweilige Vertragspartner für die Belieferung der Genossenschaften, was in der Regel ein Mitglied der EDEKA-Gruppe, früher in einigen Fällen die REWE oder mittlerweile auch die „Bela“ (Bartels-Langness) ist.
 
Von dem Lieferanten zu unterscheiden ist der Hersteller von Waren, die von dem Großhändler unter eigenem Namen oder dem Namen dieses Großhändlers an die Konsumgenossenschaft geliefert wird und in den Geschäften angeboten werden.
 
Noch entfernter von der Stellung eines Lieferanten ist ein Geschäftsführer bzw. Vorstand, Gesellschafter, Aktionär oder Mitglied eines Herstellers der gelieferten Waren.
 
Da es sich um eine, wenn auch zulässige, Beschränkung der Wählbarkeit in den Aufsichtsrat handelt, ist der Begriff „Lieferant“ auch eng und nicht erweiternd auszulegen.
 
 
Bei Fehlen ausdrücklicher Regelungen im GenG werden im Zweifel Regelungen im AktG entsprechend angewandt.
 
Hier regelt § 100 AktG die persönlichen Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder bei Aktiengesellschaften. Bemerkenswert ist, dass nach § 100 Abs. 4 AktG weitere persönliche Voraussetzungen durch die Satzung einer Aktiengesellschaft nur eingeschränkt möglich sind.
 
Einschlägig könnte hier allenfalls § 100 Abs. 2 Nr. 2 AktG sein, nach dem Mitglied des Aufsichtsrates nicht sein kann, wer gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist. Hier sind aber gesellschaftsrechtliche Abhängigkeitsverhältnisse und nicht solche aus Wirtschaftsbeziehungen, wie eventuell zu einem übermächtigen Lieferanten, gemeint. Nach der Rechtsprechung zu § 100 AktG ist es aber ohne Weiteres zulässig, dass z. B. Vorstandsmitglieder von Wettbewerbern, Hausbanken und auch Lieferanten Mitglied des Aufsichtsrates sind.
 
Entscheidend ist immer die Interessenkollision im Einzelfall bei einer Abstimmung, die entsprechend bei der Beschlussfassung und Beratung berücksichtigt werden muss.
 
Daher sollte die Satzung entweder getrennt für Vorstand, Aufsichtsrat, Vertreter bzw.
ggf. Mitglied
(§ 43 Abs. 6 GenG; aufgrund § 18 Satz 2 GenG können durch eine Satzungsregelung keine weiteren Fälle des Stimmrechtsausschlusses bei Mitgliedern festgelegt werden; es besteht also ein Recht zur Wahl der eigenen Person, ein Stimmrecht bei Abstimmungen über eine Abberufung aus dem Amt oder einen Ausschluss und auch bei Vornahme eines Rechtsgeschäftes mit einem selbst)
entsprechende Regelungen über einen Stimmrechtsauschluss enthalten:
 
Stimmrecht in besonderen Fällen
(1) Das Stimmrecht eines Vertreters ruht bei Beschlüssen, durch die er oder ein vertretenes Mitglied entlastet, von einer Verbindlichkeit befreit oder ein Anspruch der Genossenschaft gegen ihn oder ein vertretenes Mitglied geltend gemacht werden soll. Er ist jedoch vor der Beschlussfassung zu hören.
(…) Wird über Angelegenheiten der Genossenschaft beraten, die die Interessen eines
Aufsichtsratsmitglieds, seines Ehegatten, seiner Eltern, Kinder, Geschwister, einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person oder anderen diesem nahestehende Personen     i. S. von § 138 InsO berühren, darf das betreffende Aufsichtsratsmitglied an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen. Das Aufsichtsratsmitglied ist jedoch vor der Beschlussfassung zu hören.
(…) Wird über Angelegenheiten der Genossenschaft beraten, die Interessen eines 
Vorstandsmitglieds, seines Ehegatten, seiner Eltern, Kinder, Geschwister, einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person oder einer anderen nahestehenden Person  i. S. von § 138 InsO berühren, darf das betreffende Vorstandsmitglied an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen. Das Vorstandsmitglied ist jedoch vor der Beschlussfassung zu hören.
 
oder am besten eine gemeinsame Regelung für alle Organe der Genossenschaft:
 
… Gemeinsame Vorschriften 
für die Organe der Genossenschaft (Vertreter, Aufsichtsrat und Vorstand)
§ …
(1) Das Stimmrecht eines Mitgliedes und eines Vertreters ruht bei Beschlüssen, durch die er oder ein vertretenes Mitglied entlastet, von einer Verbindlichkeit befreit oder ein Anspruch der Genossenschaft gegen ihn oder ein vertretenes Mitglied die geltend gemacht werden soll, § 43 Abs. 6 GenG.
(2) Wird über Angelegenheiten beraten, die die Interessen eines Mitglieds, seines Ehegatten, seiner Eltern, Kinder, Geschwister oder einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person oder einer anderen nahestehenden Person i. S. von § 138 InsO berühren, darf das betreffende Mitglied an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen.
(3) Das Mitglied ist jedoch vor der Beschlussfassung zu hören.
 
 
§ 138 InsO - Nahestehende Personen
(1) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so sind nahestehende Personen:
1.    der Ehegatte des Schuldners, auch wenn die Ehe erst nach der Rechtshandlung geschlossen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist;
1a. der Lebenspartner des Schuldners, auch wenn die Lebenspartnerschaft erst nach der Rechtshandlung eingegangen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist;
2.    Verwandte des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners in auf- und absteigender Linie und voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners sowie die Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen;
3.    Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt haben sowie Personen, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können;
4.    eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, wenn der Schuldner oder eine der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftender Gesellschafter oder zu mehr als   einem Viertel an deren Kapital beteiligt ist oder auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hat, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten.
(2) Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen:
1.    die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind;
2.    eine Person oder eine Gesellschaft, die auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten;
3.    eine Person, die zu einer der in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen in einer in     Absatz 1 bezeichneten persönlichen Verbindung steht; dies gilt nicht, soweit die in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

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