Abschied von Witho Holland


Anfang Juni dieses Jahres ist Dr. Witho Holland kurz vor seinem 91. Geburtstag in Berlin gestorben. Dem Konsum war er schon 1953 verbunden und blieb es bis an sein Ende.
 
Geboren im schlesischen Bunzlau war er nach Schulbesuch und Abitur seit Sommer 1944 bei der Wehrmacht. Der Krieg brachte ihm eine Verwundung ein, aber einer langen Kriegsgefangenschaft, die so viele seiner Generation traf, entging er und konnte so sein Jurastudium an der Universität Jena schon bald beginnen. Er schloss es 1950 mit der Promotion ab.
 
Seine Konsumlaufbahn begann er als Justitiar in Schmalkalden, setzte sie 1956 in der gleichen Funktion beim Bezirksverband Suhl fort, wo er vier Jahre später Vorstandsmitglied wurde. Aber schon 1961 ging er als Justitiar zum VDK (damals noch Verband Deutscher Konsumgenossenschaften) nach Berlin. Nach neun Jahren wechselte er die Organisation, um bis 1990 als Sekretär des Zentralvorstandes der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands tätig zu sein. Am Ende war er als Justizminister für die Regierung de Maiziere im Gespräch. Das zerschlug sich aber. Ich weiß nicht, ob er dem nachtrauerte. Für den VdK (damals noch VdK der DDR) aber war es ein Segen. Denn Mitte April 1990 konnte er dadurch mit Witho Holland seinen hervorragenden Justitiar  zurückgewinnen. Beiden – dem VdK und seinem neuen alten Justitiar – kam es zugute, dass Witho Holland in seinem Studium Ende der vierziger Jahre im Wesentlichen noch ein Rechtssystem kennengelernt hatte (nämlich das bürgerliche), das jetzt, 1990/91, als westliches Rechtssystem zurückkehrte.
 
Dem liegt eine der schönsten Geschichten zugrunde, die er erzählen konnte: Witho Holland studierte in Jena unter anderem bei Arwed Blomeyer, einem der bekannteren deutschen Zivilrechtler, der 1951 an die FU Berlin ging. Einer von dessen Studenten dort wurde später ein in Westberlin prominenter Anwalt. Jetzt, 1991/92 ging es um den Versuch, dem VdK seinen Genossenschaftscharakter nach westlichem Rechtsverständnis abzuerkennen, um dann auf die VdK-Betriebe (inzwischen als GmbH gestaltet) als quasi herrenlose amorphe Vermögensmasse zugreifen zu können. Frank Dahrendorf, seit Februar 1991 Vorstandssprecher des VdK, hatte jenen Westberliner Anwalt mit der Vertretung des VdK in dieser Angelegenheit beauftragt. Witho Holland sollte das Faktenmaterial aufbereiten. Aber kenntnisreich, wie Holland nun einmal war, unterzog er das von ihm gesammelte Material schon selbst einer rechtlichen Analyse. Doch der Anwalt bezeichnete Hollands Schlussfolgerungen als äußerst fehlerhaft. „Oh“, entgegnete ihm unser Dr. Holland, „Sie hatten mir doch erzählt, dass Sie Zivilrecht bei Professor Blomeyer gehört haben. Meine Erkenntnis beruht auf der Blomeyerschen Analyse einer Reichsgerichtsentscheidung aus dem Jahr 1928.“ Fortan durfte, ja sollte Witho Holland seine Einsichten in die Rechtslage durchaus kundtun. Der Rechtsstreit ging zugunsten des VdK aus.
 
 Witho Holland war ein zurückhaltender Mensch. Laute Rechthaberei ging ihm gegen den Strich. Deshalb wurde er oft unterschätzt. Den Wert seiner Arbeit kannte er aber. Angesichts seiner jahrzehntelangen Konsum-Erfahrungen, seiner Lernfähigkeit, seines scharfen analytischen Verstandes hat er sich große Verdienste erworben. Denn er hat wesentlichen Anteil daran, dass der VdK einige der tödlichen Gefahren und Risiken des Systemwechsels schon Anfang der neunziger Jahre gemeistert hat. Er war bescheiden, ein wunderbarer Kollege, bei allen gern gelitten. Und bei allen bösen Schicksalsschlägen, die ihn getroffen haben – zwei Ehefrauen und eine Tochter starben ihm an Krebs – hat er seinen stillen Humor und seinen pointierten Witz nicht verloren.
 
Seine reguläre Tätigkeit beim VdK endete mit Ablauf des Jahres 1992. Für fünf weitere Jahre war er aber als Berater weiterhin dem VdK vertraglich gebunden. So konnten wir noch immer die Früchte seiner Arbeit verwerten. Sogar nach Ablauf seiner offiziellen Beratertätigkeit half er dem VdK durch manche klugen Ratschläge und Hinweise. Anfang dieses Jahres, seine Kräfte wurden nun doch allmählich schwächer ließ er mir aus seinem Bücherbestand, ein älteres, äußerst seltenes Werk über die Entwicklung des deutschen Genossenschaftswesens seit dem Mittelalter zukommen. Es wird mich immer an einen meiner wertvollsten Kollegen erinnern.
 
Aber eines bleibt nachzuholen, um Witho Holland wenigstens halbwegs – wirklich umfassend ist das kaum möglich –zu würdigen. Es geht um einen Tatbestand, der seine Wissbegier, seine Tatkraft, seine Energie, auch seine Organisationsfähigkeit so recht kennzeichnet: Er hat so viele, so weite, so lange Reisen unternommen, dass er schließlich seine Füße auf den Boden aller Länder, aller Staaten dieser Erde gesetzt hatte. Das waren fast 200. Wenn man bedenkt, dass zu DDR-Zeiten die wenigstens davon für ihn erreichbar waren, dass er also erst nach seinem vierundsechzigsten Lebensjahr so richtig loslegen konnte, kann man nur staunend diese Vitalität bewundern.
 
Der Abschied von Dr. Witho Holland fällt schwer.
 
Wilhelm Kaltenborn
 

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